Erlebt: Shavuot – Ein Fest zwischen Geschichte, Gemeinschaft und Zukunft


von Alex
Viele Jahre ist das Fest Shavuot an mir vorbeigegangen, ohne dass ich ihm große Bedeutung beigemessen hätte. Es war für mich klar: Man isst an diesen Tagen mehr Käsekuchen als sonst – aber was genau dahintersteckt, war mir schlichtweg egal.
Das änderte sich, als wir in den Moshav Ramat Zvi zogen.
Dort hat die Gemeinschaft meinen Blick verändert. Ich fing an, in der Bibel zu lesen, um zu verstehen, worum es bei diesem Fest wirklich geht. Und wie bei so vielen biblischen Feiertagen merkte ich schnell: Es gibt eine traditionelle und eine moderne Art zu feiern – und beide haben ihren Platz.
Wir sind eine Familie mit sechs Kindern – das Leben ist turbulent, laut, voller kleiner und großer Momente. Wir versuchen, Shavuot lebendig und bedeutungsvoll zu gestalten: spannend für die Kinder, aber auch verwurzelt in der Tradition. Wir lesen gemeinsam in der Bibel, insbesondere im Buch Ruth, das zu Shavuot gehört. Diese bewegende Geschichte von Loyalität, Familie und Neubeginn erinnert uns daran, dass auch kleine Entscheidungen lebensverändernd sein können – und dass jeder Platz in Gottes Geschichte hat.
Die biblische Wurzel
Shavuot, auch das Wochenfest, wird in der Tora mehrfach erwähnt. Ursprünglich war es ein Erntefest:
„Auch das Fest der Ernte, der Erstlinge deiner Arbeit, die du auf dem Felde gesät hast, sollst du halten.“ – 2. Mose 23,16
Im Laufe der Zeit erhielt das Fest eine tiefere Bedeutung: Es wurde zum Gedenken an die Gabe der Tora am Berg Sinai – das zentrale spirituelle Ereignis des Judentums. Heute ist Shavuot ein Moment, in dem wir innehalten und uns an unseren Bund mit Gott erinnern – durch Tora, Werte und Gemeinschaft.
Der Moshav lebt
Die Vorbereitungen in unserem Ort beginnen Wochen vor dem eigentlichen Feiertag. Menschen treffen sich, planen, proben, organisieren – und alles zahlt sich aus. Die Traktoren werden mit Blumen, bunten Tüchern und Fahnen geschmückt. Damit fahren die Landwirte – mit großem Stolz – über die Felder, um ihre Ernte zu zeigen.
Die Kinder bestaunen alles, die Erwachsenen applaudieren, und jeder spürt: Das ist unser Boden, unser Werk, unser Segen.
Dann folgt die legendäre Traktorenshow – ein Highlight, besonders für die Jungs. Nach der Show dürfen die Kinder selbst auf die Traktoren klettern, es werden Fotos gemacht, gelacht, und man spürt, wie sehr Tradition und Technik, Vergangenheit und Gegenwart, hier miteinander verbunden sind.
Tanz, Gemeinschaft, Solidarität
Wenn die Sonne tiefer sinkt, beginnt das eigentliche Dorffest. Die Bühne füllt sich:
Zuerst werden die neugeborenen Kinder mit ihren Eltern vorgestellt – ein rührender Moment, denn: „Kinder sind unsere Zukunft.“ Danach führen die Kinder ihren lange einstudierten Tanz auf. Natürlich ist es nicht perfekt, manchmal etwas chaotisch – aber es ist voller Herz, Freude und Zusammenhalt. Ein besonderes Erlebnis für mich persönlich: Ich, die sich sonst gern im Hintergrund hält, durfte mit den Frauen des Dorfes einen Volkstanz aufführen. Wir waren alle in Weiß gekleidet und trugen gelbe Schleifen um den Hals – ein Zeichen der Solidarität mit den Geiseln und ihren Familien. Es war nicht nur ein Tanz – es war ein Ausdruck von Verbundenheit, Stärke und Hoffnung.
Ein Abschied, ein Aufbruch
Am Ende wurde es emotional: Unsere älteste Tochter Elisabeth wurde gemeinsam mit ihrer Klasse verabschiedet. Jede und jeder durfte erzählen, wohin der Weg nun führt – viele gehen zur Armee andere in Freiwilligendienste.
Unsere Tochter wird in der Luftwaffeneinheit dienen. Es war ein Moment voller Stolz, Wehmut und Hoffnung – ein neues Kapitel beginnt, auch für uns als Familie.
Zwischen Himmel und Erde
Trotz all dieser Ereignisse vergessen wir nicht, was Shavuot im Kern bedeutet: Die Erinnerung an die Offenbarung der Tora, an den Bund mit Gott und an das Geschenk, das uns bis heute trägt.
Darum lesen wir das Buch Ruth. Darum essen wir Milchgerichte, sitzen gemeinsam am Tisch, lachen, diskutieren, erzählen Geschichten.
Denn genau das ist Shavuot: Ein Fest, das Erinnerung mit Erneuerung, Tradition mit Alltag und Heiligkeit mit Gemeinschaft verbindet.
In einem Land, das nie zur Ruhe kommt, ist Shavuot ein Moment des Anhaltens, Danksagens und gemeinsamen Weitergehens.
Und genau deshalb ist es heute wichtiger denn je.
Filmaufnahmen von uns bei Fokus Jerusalem TV
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