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14 Sep 2025

Ein Krieg ohne Ende – von Gaza bis Doha, Damaskus und Teheran

Der „Eisenschwerter-Krieg“, den Israel nach dem beispiellosen Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 begann, hat längst Dimensionen erreicht, die weit über den Gazastreifen hinausgehen. Was mit dem Ziel begann, die Terrororganisation zu zerschlagen und die verschleppten Geiseln zurückzubringen, hat sich zu einer regionalen Konfrontation entwickelt, die mittlerweile mehrere Länder und Konfliktzonen umfasst. Israelische Luftschläge, Drohnenangriffe und Geheimdienstoperationen sind in Syrien, im Libanon, im Jemen, gegen iranische Ziele und zuletzt sogar in Katar dokumentiert.

Ein Krieg auf sieben Fronten

Bereits Ende 2023 sprach der damalige Verteidigungsminister Yoav Gallant von einem „Mehrfrontenkrieg“. Vor dem Knesset-Ausschuss für Auswärtiges und Verteidigung zählte er sieben aktive Arenen auf: Gaza, Libanon, Syrien, Judäa und Samaria, Irak, Jemen und Iran. Fast zwei Jahre später hat sich dieses Bild verfestigt. Mit Ausnahme des Irak, wo Israel offiziell keine Operationen einräumt, ist auf allen genannten Schauplätzen israelisches Militärhandeln nachweisbar.

Der jüngste Schlag in Doha markierte dabei eine Zäsur. Erstmals griff Israel ein Land an, das nicht als feindlich gilt und das in den laufenden Geiselverhandlungen eine Schlüsselrolle als Vermittler spielt. Offiziell hieß die Operation „Summit of Fire“. Ziel war die Spitze der Hamas-Führung, die in Katar seit Jahren sichere Rückzugsräume hat.

Doha: Angriff im Herzen des Golfes

Mehrere Explosionen erschütterten die katarische Hauptstadt, Rauch stieg über dem Katara-Viertel auf. Israel bestätigte später, präzise Munition eingesetzt zu haben, um die Hamas-Führung zu treffen, darunter Khaled Maschal und Khalil al-Hayya. Ob sie tatsächlich vor Ort waren, blieb unklar.

Die politische Wirkung war dennoch enorm. Katar sprach von einem „feigen Angriff auf Wohnhäuser“, arabische Regierungen stellten sich demonstrativ hinter Doha. Selbst die USA, Israels engster Verbündeter, signalisierten deutliche Unzufriedenheit. Präsident Donald Trump, der sich zuvor für seinen Friedensplan im Nahen Osten feiern ließ, sprach offen von einem „Schritt, der amerikanischen und israelischen Interessen nicht dient“.

Der UN-Sicherheitsrat veröffentlichte eine scharfe Erklärung, die Israels Vorgehen kritisierte und gleichzeitig die Souveränität Katars bekräftigte. Dass selbst Washington die Verurteilung mittrug, zeigt, wie isoliert Israel nach fast zwei Jahren Krieg dasteht.

Regionalpolitische Folgen

Ein hochrangiger Golfdiplomat sagte gegenüber der Washington Post: „Viele Operationen Israels mögen militärisch erfolgreich sein, aber die Region sieht heute nicht stabiler aus. Der Schlag in Katar war eine Komplikation, die niemand brauchte.“

Auch aus Ländern, die mit Israel in den vergangenen Jahren Abkommen geschlossen hatten, kamen kritische Stimmen. Ein arabischer Regierungsvertreter wurde mit den Worten zitiert: „Von außen sieht es so aus, als hättet ihr die Kontrolle verloren. Ihr bombardiert nicht nur Gaza, sondern gleich mehrere arabische Staaten, darunter einen Vermittler.“

Besonders heikel ist die Lage gegenüber Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Beide Monarchien haben in den letzten Jahren vorsichtig ihre Beziehungen zu Israel vertieft. Doch Riad führt gleichzeitig eine innenpolitische Kampagne gegen islamistische Radikale. Jeder israelische Vormarsch in Gaza oder jede Rhetorik über „Groß-Israel“ schwächt diese Bemühungen, weil Extremisten das als Vorwand nutzen. In Abu Dhabi wiederum fühlen sich die Herrscher durch den Angriff auf Katar in eine schwierige Lage gedrängt – gerade weil sie zwischen strategischer Partnerschaft mit Israel und Solidarität mit den Golfstaaten lavieren müssen.

Weitere Fronten: Syrien, Libanon und Jemen

Parallel zu Doha eskalieren die bekannten Brennpunkte weiter. In Syrien hält Israel seit dem Sturz des Assad-Regimes eine Pufferzone im Süden. Immer wieder werden Waffenlager und Militäreinrichtungen bombardiert, um zu verhindern, dass iranische Milizen oder lokale Extremisten Zugang zu strategischem Material erhalten.

Im Libanon bleibt die Lage besonders angespannt. Trotz eines vereinbarten Waffenstillstands hält die IDF mehrere Stützpunkte in einer Sicherheitszone nahe der Grenze. Fast täglich werden Hisbollah-Kämpfer oder deren Infrastruktur attackiert. Jüngst berichtete die Armee von der Ausschaltung eines Terroristen bei Aitaroun, der am Wiederaufbau der militärischen Fähigkeiten der Hisbollah beteiligt gewesen sei.

Auch im Jemen hat Israel mehrfach zugeschlagen. Dort hatten die Huthis zuletzt mit Drohnen und Raketen Israel attackiert, sogar den Flughafen Ramon bei Eilat getroffen. Die israelische Luftwaffe reagierte mit Angriffen auf Munitionsdepots und Stellungen in Sanaa und der Provinz Amran. Am Tag nach dem Doha-Schlag erfolgte bereits die nächste Operation gegen Huthi-Stellungen – ein klares Signal, dass Jerusalem gewillt ist, auch weit entfernte Gegner direkt anzugreifen.

Iran: Drohkulisse bleibt bestehen

Währenddessen wächst die Sorge vor einer direkten Konfrontation mit dem Iran. Die israelische Armeeführung schließt nicht aus, dass es schon in den kommenden Monaten zu einer neuen Runde der Eskalation kommt. Teheran selbst droht offen. Ein Berater von Revolutionsführer Ali Khamenei erklärte jüngst: „Wir sind nicht in einem Waffenstillstand, sondern in einer Kriegsphase – und sie kann jederzeit zusammenbrechen.“

Gaza bleibt das Epizentrum

Trotz der regionalen Ausweitung bleibt der Gazastreifen das eigentliche Zentrum des Krieges. Hier hält Israel seit fast zwei Jahren eine massive Militärpräsenz, unterbrochen nur von kurzen Feuerpausen im Rahmen von Geiselverhandlungen. Aktuell bereitet die IDF die nächste Großoffensive vor: den Sturm auf Gaza-Stadt im Rahmen von „Operation Gideon’s Chariots II“.

Doch die humanitäre Lage ist katastrophal. Nach Angaben der von Hamas kontrollierten Behörden sind inzwischen mehr als 60.000 Menschen getötet worden. Internationale Hilfsorganisationen sprechen von Hungersnöten, vom Zusammenbruch medizinischer Versorgung und vom Vorwurf möglicher Kriegsverbrechen. All dies hat Israels internationale Stellung schwer beschädigt, vor allem in Europa, aber auch zunehmend in den USA.

Zwischen Taktik und Strategie

Militärisch erzielt Israel immer wieder Erfolge: gezielte Tötungen hochrangiger Kommandeure, Zerstörung von Tunneln, Abwehr von Drohnen und Raketen. Doch strategisch wächst der Druck. Die arabische Welt zeigt Geschlossenheit gegen Israel, selbst dort, wo in den letzten Jahren Annäherung möglich schien. Westliche Verbündete betonen zwar Israels Recht auf Selbstverteidigung, doch der Ton ist schärfer geworden.

Ein arabischer Offizieller formulierte es so: „Ihr gewinnt vielleicht Schlachten, aber ihr verliert den Krieg um das politische Gleichgewicht der Region.“

Kein Ende in Sicht

Auch nach fast zwei Jahren gibt es keine klare Perspektive für ein Ende. Weder im Gazastreifen noch in den umliegenden Konfliktzonen deutet sich ein Durchbruch an. Katar droht, seine Rolle als Vermittler aufzugeben. Saudi-Arabien und die Emirate sind verunsichert. Die USA müssen zwischen Solidarität mit Israel und Rücksicht auf Partner am Golf balancieren.

Für Israel selbst bedeutet das: Die Armee ist gezwungen, Kräfte auf mehreren Fronten zu binden. Die innenpolitische Diskussion über Kosten, Dauer und Ziel des Krieges wird intensiver. Premierminister Netanjahu hält an seinem Ziel fest, die Hamas vollständig zu zerschlagen. Doch je länger der Krieg dauert, desto größer wird der Druck, auch eine politische Lösung vorzulegen.

Der „Eisenschwerter-Krieg“ begann als Reaktion auf den 7. Oktober. Heute steht er sinnbildlich für eine Region im Flächenbrand. Israels Gegner operieren von Beirut bis Sanaa, von Damaskus bis Doha. Und die Frage, die immer lauter gestellt wird: Kann Israel diesen Krieg noch auf ein Ziel fokussieren – oder verliert es sich in einem Konflikt ohne Grenzen?

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