Sind wir hier wirklich richtig?
„Das macht dann 30 Dollar“, sagt die Verkäuferin. Verdutzt schaue ich meine Freunde an und entgegne der Frau: „Wir wollten doch den günstigsten Wein.“ „Den habt ihr bekommen“, antwortet sie leicht angefressen. Ohne Wein verlassen wir das Ladengeschäft.„Herzlich willkommen“ in den Touristenhochburgen und willkommen in Cana.
Wir waren im Frühjahr unterwegs auf dem Jesus-Trail, einer Strecke, die Jesus damals von Nazareth nach Kapernaum am See Genezareth häufig gegangen sein soll.
Hitze und Einsamkeit
In der Bibel, in Johannes 2, lesen wir von einem Ort Cana und fast jeder kennt das Wunder, dass dort durch Jesu wirken geschah, bei dem Wasser zu Wein wurde.
Um es gleich zu sagen, ich bin kein großer Verfechter von exakt auf den Quadratmeter definierten Stätten, denn allzu oft gehen Beweise auf fragwürdige Personen oder „Sekundar-Geschehen“ zurück.
Wenn es G-tt so wichtig gewesen wäre, es ihm besonders um die Örtlichkeiten gegangen wäre, wären diese Schauplätze auch heute erhalten. Aber ER steht über den „Schauplätzen“, den alten Gemäuern und Ruinen. Manche Wallfahrtsorte erinnern eher an Mausoleen als an den lebendigen G-tt.
Dann kommt mir immer folgender Bibelvers in den Kopf:
„Ich bin der G-tt Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er ist doch nicht ein G-tt der Toten, sondern der Lebenden!“ Aus Matthäus 22,32
Nun vor Kurzem habe ich mit meinem guten Freund, Jan, eine Geschichtstour unternommen. Bei 33 Grad waren wir 21 km unterwegs. Es war wahrlich eine Hitzeschlacht.
Auf unserer Tour passierten wir einige Ausgrabungsstätten, unter anderem Tel Yodfat, ein wichtiger Ort in der jüdischen Geschichte.
Von dort oben gingen wir den steinigen Pfad hinunter durch den Nahal Yodfat. Die Sonne brannte, es war trocken und teilweise Windstill. Passend zu der Szenerie stießen wir auf vertrocknete Kuhkadaver.
Und plötzlich am Ende des Weges steht ein großer schattenspendender Baum, unter dem wir dankbar die Mittagssonne an uns vorziehen ließen und hastig unsere aufgekochtes Essen verschlangen. Was man nicht so alles isst, wenn man hungrig ist.
Hier sind wir nun, fernab der heutigen Zivilisation. Doch früher vor 2000 Jahren, sah es hier anders aus. Denn nur einen kurzen Aufstieg entfernt, befinden sich die Ruinen von Khirbet, um genauer zu sein, von Khirbet Cana. Ein lebendiger Ort zu Zeiten Jesu.
Schon bei der Tourenplanung fiel mir dieser Ort ins Auge und nun stehe ich, schaue auf die Ruinen. Während wir uns weitere Steinmauern passieren, und den Ort wieder verlassen, hängen meine Gedanken nach: „Warum bewegt es mich so sehr, hier zu sein?“.
Und so lässt es mir auch nach unserer Tour keine Ruhe, auch weil ausgerechnet am nächsten Tag in meiner täglichen Bibellese das Weinwunder in Cana dran ist.
Bei der Tourenplanung hatte ich bereits gelesen, dass man davon ausgeht, dass nicht die Tourismushochburg Cana, sondern eher Khirbet Cana das „Cana“ im Neuen Testament sei. Nachforschungen bestätigten diese erste Info.
So finden wir unter anderem im Lexham Geographic Commentary:
“Khirbet Qana was suggested as the location of Cana of Galilee by Edward Robinson on June 18, 1838. Analyzing the historical sources and the toponymic connection, Robinson rejected the popular notion that ancient Cana of Galilee should be located at Kefr Kenna. He favored Khirbet Qana, citing the tradition among the locals that Khirebet Qana was called “Kana el-Jelil,” which Robinson argued was a more accurate preservation of the ancient name, “Cana of Galilee.” Robinson also noted that pilgrim traditions locating the site at Kefr Kenna occurred with greater frequency after the sixteenth century. Perhaps out of monastic convenience the traditional site was moved to Kefr Kenna. Since then, Kefr Kenna has remained the traditional site for pilgrims and tourists alike. Therefore, when one visits Galilee today, the churches recalling Jesus’ miracle are all found at Kefr Kenna and not Khirbet Qana.[1]” Und so heißt es weiter: “The description of the royal official’s journey from Capernaum to Cana (John 4:46–53) also fits the physical geography of Khirbet Qana, a site about a day’s walk from Capernaum.[2]”
Oder ein alternativer Link Wikipedia.(english)
Nun, es gibt gute Gründe, warum das heutige Cana, nicht das Cana der Bibel ist. Es ist schade und dennoch faszinierend zugleich, wie sich das zugebaute Cana vom Khirbet Cana unterscheidet. Der eine Ort voller Touristen, Bauten und Kirchen mit überteuerten Preisen (z.B. unseren Wein) und fernab Khirbet Cana in Ruinen liegend einsam, ruhig und besinnlich – bewegend. Und so ist es oft mit Schauplätzen und heiligen Stätten in Israel. Man kann zugebaute überfüllte Plätze besuchen, man muss es aber nicht. Wer hier auftanken und neu berührt werden will, der sollte auch andere Wege betreten. Es lohnt sich.
Und das Wunder von Cana? Nun, es hallt auch weiterhin nach. Für viele ist es nicht so bedeutend wie andere Wunder. Für mich zeigt Jesus, dass er unsere menschlichen Bedürfnisse im Überfluss stillen will. Er will die Fülle geben (in einem Land, wo Milch und Honig fließen), indem er mehr gibt als nötig. Wie sonst sollte man die Mengen an Wein erklären, am Ende durch sein Wirken? Nachlesen lohnt sich. Hier der Link auf Bibleserver.com
[1] Thomassen, E. J. (2016). Jesus’ Ministry at Cana in Galilee. In B. J. Beitzel & K. A. Lyle (Hrsg.), Lexham Geographic Commentary on the Gospels (Joh 2,1–21,2). Bellingham, WA: Lexham Press.
[2] Thomassen, E. J. (2016). Jesus’ Ministry at Cana in Galilee. In B. J. Beitzel & K. A. Lyle (Hrsg.), Lexham Geographic Commentary on the Gospels (Joh 2,1–21,2). Bellingham, WA: Lexham Press.