von Benjamin Funk
Ich schrie das Lenkrad an, meine Fingernägel bohrten sich in das Leder. Es reichte mir, das Fass war übergelaufen, mein Geduldsfaden gerissen.
Zuvor hatte ich das Haus wutentbrannt verlassen. Hatte ich jemals einen solchen Moment im Leben? Ich kann mich nicht daran erinnern. Der Frust hatte mich übermannt, ich war einfach explodiert.
Im August 2020 schrieb ich einen Artikel über das Einleben und unsere Lebensgestaltung in Israel. Über die Hürden und die Schwierigkeiten, die ich/wir zu meistern hatten. Alexandra und ich fanden unseren Lebensstil und entwickelten eine gemeinsame Vision. Wir hatten vor einigen Jahren einen kleinen Gäste- und Tourenbetrieb begonnen. Kurz und knapp: Wir konnten einzigartige Gesamtpakete schnüren. Es war mehr als nur Arbeit. Es war unsere Vision, unseren Gästen Israel persönlich und hautnah zu zeigen. In den Jahren saßen viele tolle Menschen an unserem Tisch, viele von ihnen wurden Freunde und kamen fast jedes Jahr. Es machte uns wenig aus, sehr früh auf den Beinen zu sein, alles vorzubereiten und Gastfreundschaft zu leben. Ein langer Touren-Tag mit den Gästen fühlte sich nie wie Arbeit an. Ich liebte es, unseren Besuchern außergewöhnliche Plätze zu zeigen. Damals formulierte ich es so: “Ich habe einen der coolsten Jobs der Welt! Ich besuche jede Woche die schönsten Plätze in Israel. Ich fahre Auto, ich laufe mehrere Kilometer am Tag, ich darf mit Menschen meine Begeisterung für die Orte teilen. Ich lerne sie kennen und liebe es, von ihnen mehr zu erfahren.“
“ 2020 hatten wir noch Pläne: „Sollten wir uns nicht vergrößern?“ Der Gästebrieb lief nun richtig an.“
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Natürlich war nicht alles Sonnenschein, aber es war eine für uns sehr erfüllende Zeit. Nebenbei unterrichtete ich online User Design und User Experience und hatte einige Projekte am Start, die ganz gut zwischen Touren und in unsere Arbeitswelt passten.
2020 hatten wir noch Pläne: „Sollten wir uns nicht vergrößern?“ Der Gästebetrieb lief nun richtig an. Wir hatten uns einen neuen Ort mit kleinen Häusern angeschaut. Ein buntes und gut gefülltes Jahr lag vor uns: Outdoortouren, Busreisen, Exklusivreisen, Männertouren und vieles mehr.
Dann kam die Pandemie.
Es kam alles anders. Zuerst waren wir voller Zuversicht, dass der Spuk nach wenigen Wochen vorbei sein könnte. Doch aus Wochen wurden Monate und letztlich Jahre. So mussten wir unseren Beruf und letztlich unsere Vision aufgeben. Statt einem guten Jahr 2020 mit einer Auszeit im Sommer in Deutschland, befanden wir uns in einer existenzbedrohenden Lage.
Zu all der Zeit war Gott treu, und versorgte uns durch liebe Menschen, genügend andere Arbeit und durch den Staat. Kleine und große Wunder.
Aber das Loch war da….
Es fühlte sich an, als hätte jemand etwas aus unserem Leben gerissen. Unsere Vision für die wir viel Leidenschaft, Zeit und Kraft investiert hatten, war wie eine Glasschüssel auf einem Boden in Tausende Stücke zersplittert. Das erste Jahr verfolgte ich noch aufmerksam in den Medien, wann es wohl weitergehen könnte. Statt Öffnungsterminen gab es immer wieder Vertröstungen. Mit der Zeit und im Verlust fiel uns auf, wie uns unsere Vision all die Jahre zusammengeschweißt und lebendig gemacht hatte. Ich fand mich am PC wieder acht, neun, zehn Stunden jeden Tag. Der große Wunsch, die Arbeit am Bildschirm auf ein Minimum zu reduzieren, gehörte der Vergangenheit an.
Versteht mich nicht falsch, ich habe keine Abneigung für PC-Arbeit, aber ich arbeite bereits seit meinem achtzehnten Lebensjahr hinter dem Schirm, und ich wollte und will die Veränderung, wenigstens einen Mix.
Das Leben war schon genug durchgewirbelt, als unsere damaligen Vermieter Eigenbedarf anmeldeten. So begaben wir uns auf eine mühsame Suche nach einem neuen Zuhause mitten in der Hochsaison der Pandemie und fanden einen neuen, tollen Ort. Hier haben wir weiterhin Raum für unsere Familie, Tiere, Obst und Gemüse. Wir leben in einer tollen Nachbarschaft mit viel Ruhe, zugleich war klar, dass die Zeit mit Gästen direkt im Haus vorbei sein würde. (Es gibt Lösungen im Ort für Gäste)
Kommen wir zurück zum Auto im Spätsommer 21.
Nun saß ich da. Ich schimpfte und war auch sauer auf Gott. Ein Ende der Pandemie war nicht in Sicht. Aus der anfänglichen Notlösung „PC-Arbeit“ war unsere Haupteinnahmequelle geworden, die mich auslaugte und mein Feuer war zu einem glimmenden Docht erlischt.
Es gab über die Jahre viele gute Zuschriften, die uns immer wieder Mut machten, abzuwarten. Doch je mehr Zeit verging, je öfter wir bei langen Spaziergängen über das Vergangene sprachen, erkannten wir: selbst nach einem schnellen Ende der Pandemie kann man nicht einfach neu ansetzen, als sei nichts gewesen.
Die Zeit ist gekommen
Hinter dem Steuer unseres Kleinwagens wurde mir klar, dass ich endlich loslassen musste, denn ich lebte in der Vergangenheit und schaute zurück. Zum ersten Mal gestand ich mir den tiefen Schmerz und meine Wut ein. Im Angesicht der Pandemie erkannte ich meine Hilflosigkeit und Ohnmacht. Je stärker ich mich gegen den Frust stemmte, nicht akzeptieren wollte, dass ich es nicht ändern konnte, desto mehr brach ich innerlich aus. Und am Tiefpunkt wollte ich nur noch mit meiner Familie Israel verlassen. Wie gut, dass Gott diese Wut und Frust aushalten kann, die er sich an diesem Abend anhörte.
Schmerz und Trauer brauchen Zeit. Es gibt eine Abkürzung noch einen Expresszug aus einer Krise. Wenn ich von meinem Abenteuern in Israel erzähle, leuchten meine Augen. Wenn Alex und ich über schönen Zeiten mit unseren vielen Gästen schwärmen, geht unser Herz auf aber, und dass wird auch so bleiben, etwas Melancholie schwingt mit.
„Wie wird es weitergehen?“, werden wir wöchentlich gefragt. Wir warten und beten. Es gibt noch keine andere Antwort. Was wir auf jeden Fall derzeit machen, wir produzieren Filme und Videos in und über Israel, wir schreiben Artikel für Zeitschriften und Bücher, wir treffen uns mit vielen Leuten, wir sind Gäste bei Israel-Abenden und Reisegruppen, helfen bei der Planung von Touren und Israelreisen …. (Weitere Ideen herzlich willkommen).
Im Auto am besagten Abend, auf den Trümmern unserer Vision, fiel ein Same der Erneuerung, der nun keimt. Wir wissen nicht, was wird. Wir vertrauen auf Gott, dass daraus etwas Neues erwächst und ein Feuer in unseren Herzen und Augen entfacht wird.
In einer schweren Krise vor vielen Jahren schrieb ich in mein Tagebuch: „Wo ein Weg endet, beginnt oft ein neuer steiniger Pfad und es lohnt sich, ihn zu gehen.“